Fischer TB 2001
519 Seiten Fr. 22.60

Adorno hatte es den Achtundsechzigern mit seinen Attacken gegen Heidegger allzu leicht gemacht: sie brauchten ihm nur nachzuplappern, statt sich mit einem Werk wie "Sein und Zeit" auseinander zu setzen. Dabei hatte das Aufdecken der Fundamente menschlicher Existenz der Psychiatrie und Psychoanalyse der Fünfziger- und Sechzigerjahre wichtige Impulse gegeben, vorallem durch die Arbeiten der Schweizer Daseinsanalytiker Ludwig Binswanger und Medard Boss. Anderseits war es in deren Kreisen nicht möglich gewesen, Heideggers Verstrickung in den Nationalsozialismus kritisch zu diskutieren.
Rüdiger Safranski schlägt nun mit seinem Buch über Heidegger eine elegante Brücke zwischen kritikloser Bewunderung und unqualifizierter Abwertung eines der nach wie vor bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, indem er dessen Entwicklung im Wechsel mit der jeweiligen politischen und geistesgeschichtlichen Situation wohlwollend nachzeichnet. Es wäre übertrieben, zu behaupten, sein Buch läse sich wie ein Krimi. Aber der Autor versteht es, dem interessierten Laien eine zum Teil schwierige Materie näher zu bringen, ohne Wesentliches zu opfern. Wie immer wird eine Story noch spannender, wenn sie eine Liebesgeschichte enthält: die Jahrzehnte dauernde wechselvolle Beziehung des Meisters zu seiner ihm ebenbürtigen "Schülerin" Hannah Arendt. Wie aktuell Heidegger für ein ganzheitliches Menschenverständnis immer noch ist, unterstreicht ein im Oktober 2002 gemeinsam von der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät Halle durchgeführter Kongress. Dass ausgerechnet Safranski dazu nicht eingeladen wurde, ist eine andere Geschichte. Er erscheine schon zu oft in den Medien, schrieb der Veranstalter. Wehe, wenn ein Autor verstanden wird...

das besprochene Buch ist ausserdem in folgenden Ausgaben erhältlich:

Ein Meister aus Deutschland

2 Audio-CDs. Gesprochen vom Autor. Carl Auer Systeme Fr. 48.70

Archiv

Juni 2002 Enrico Danieli

Juli 2002 Bernhard Gurtner

August 2002 Erhard Taverna

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