Rolf Wesbonk hat für Sie dieses Buch gelesen:
 


David Peace, Tokio im Jahr Null
Verlag Liebeskind
408 Seiten Fr. 37.90


Vom Grauen in Tokio im Jahr Null

„Der Mann mit den feuchten Lippen lächelt nun nicht mehr, er ist nicht länger freundlich, dieser Mann mit den spitzen Zähnen und dem gierigen Blick. Seine feuchten Lippen flüstern dir ins Ohr, was er von dir will, in diesem Wald oder in dem Graben, er sagt dir ganz genau, was er will, und du wendest dich ab, auf dieser schmalen Strasse neben den menschenleeren Feldern, unter dem dunklen Berg und dem schwarzen Wald. Er legt dir eine Hand um den Hals und schiebt die andere zwischen deine Beine. Du weißt genau, was er will, und du versuchst ihm zu sagen, er könne es sich nehmen, du bittest ihn darum, du flehst ihn an, es sich zu nehmen und dich dann in Ruhe zu lassen, dich bitte allein zu lassen, bitte.“

Inspektor Minami sieht das Grauen vor sich. Er kann sich vorstellen, wie der Mörder die junge Frau gequält und schliesslich getötet hat. Er hat eine Ahnung, wie der Täter vorgeht, denn er ist ihm auf der Spur. Er jagt den Serienmörder in der schrecklichen Kulisse einer Stadt, die in Schutt und Asche liegt. Es ist die Stadt Tokio im Jahr Null. Es ist eine Metropole, ein Land, wo nach der Kapitulation Japans Ordnung sowie Gesetze nur noch Fremdwörter sind, wo jeder sich nimmt, was er kriegen kann. Das gilt auch für Inspektor Minami, auf dessen Schultern eine schwere Schuldenlast liegt.

Der englische Autor David Peace hat mit „Tokio im Jahr Null“ einen verstörenden Roman geschrieben. Es geht in diesem Band um viele Dinge – nicht zuletzt um den authentischen Fall des Frauenmörders Kodaira Yoshiu. Man verspürt beim Lesen Düsternis, Traurigkeit, Entsetzen. Aber man liest atemlos, ist fasziniert. Jemand hat einmal geschrieben: „David Peace fordert vom Leser eine enorme Aufmerksamkeit.“ Dem ist wenig beizufügen,

Rolf Wesbonk



David Peace wurde 1967 in Yorkshire geboren. Nach dem Studium in Manchester arbeitete er zunächst als Englischlehrer in Istanbul, später in Tokyo, wo er heute noch mit seiner Familie lebt. Für sein Werk wurde David Peace mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem »Deutschen Krimi Preis«, dem »James Tait Black Memorial Prize« und dem »Grand Prix du Roman Noir«. Er wurde als einziger Krimischriftsteller in die renommierte »Granta’s List of Best Young British Novelists« aufgenommen.

Rolf Wesbonk, Stäfa
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Rolf Wesbonk (rwe.)
Redaktioneller Mitarbeiter NZZ Sport
Geboren 1942 in Adliswil. Aufgewachsen im Sihltal. Nach der Lehre als Fabrikspengler Weiterbildung an der Abendhandelsschule. Disponent im Anzeigen-Service der NZZ. Von 1980 bis 2002 freier Mitarbeiter. Seither redaktionelles Mitglied im Sport mit dem Schwergewicht Fussball. Autor von drei Kriminalromanen, die in Zürich und Umgebung spielen - mit dem ehemaligen Fussballer Dillmann als Protagonisten.



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Juli 2008: Chris Harrison, Siesta italiana
August 2008: Jeffery Deaver, Die Menschenleserin
September 2008: John Harvey, Schlaf nicht zu lange
Oktober 2008: Norbert Horst, Sterbezeit
November 2008: Michael Connelly, Kalter Tod
Dezember 2008: Jilliane Hoffman, Vater unser
Januar 2009: Sjöwall/Wahlöö, Die Tote im Götakanal
Februar 2009: Richard Stark, Keiner rennt für immer
April 2009: Esmahan Aykol, Scheidung auf Türkisch
Mai 2009: Raymond Chandler, Der lange Abschied
Juni 2009: Petros Markaris, Die Kinderfrau
Juli 2009: Carl Hiaasen, Sumpfblüten
August 2009: Jan C. Wagner, Im Winter der Löwen
September 2009: Peter Robinson, Verhängnisvolles Schweigen


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