Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken. Ganz herzlichen Dank!


Zwei Besprechungungen für Sie:
Kathrin Burger, Vor mir wird es Morgen
Emil Zopfi, Victors letzte Fahrt


Kathrin Burger,
Vor mir wird es Morgen
Rotpunkt Verlag
192 Seiten Fr. 31.30 Info/bestellen


Frauen-Biografie in Romanform

«Vor mir wird es Morgen», ist ein Buch, das man gerne zweimal lesen möchte: Seit dem Ende ihres Berufslebens kommt es der Ich-Schreiberin vor, als würde sie in einem leeren, unbewohnten Raum stehen und in eine Landschaft ohne Konturen hinausschauen. Kathrin Burger, die im Aargau lebt, beschreibt ihre gegenwärtigen Wahrnehmungen in der Morgenstunde, wenn der Tag erwacht. Sie schaut hinaus in den herbstlichen Garten, sie ist allein, es ist still, ihr Mann ist für Wochen in Amerika, die Kinder sind längst ausgeflogen. Nach der Pensionierung war die neue Freiheit etwas Unglaubliches, ein unverdientes Geschenk. Sie hat sich daran gewöhnt und doch kommen Gefühle der Leere auf. Und zwischendurch ein Kommen und Gehen von Erinnerungen. – Im Erzählfluss der Autorin entstand ein Mosaik von dem was ist, von dem was war, sowie Gedanken in die unergründliche Zukunft. Die Vergangenheit dringt ein in die Gegenwart. Über die Kindheit mit zwei Brüdern und gewichtigen Eltern in einer Villa und vom Kinderspiel im verwunschenen Garten mit verschiedenen geheimnisvollen Abteilungen wird erzählt. Die Lebenshaltung der Eltern, die Gelehrtheit des älteren Bruders wie die Jugendunruhen in Zürich prägten die Jugendjahre dieser Frau. Als promovierte Gymnasiallehrerein im Ruhestand räumt sie auf mit Unterrichtserinnerungen und vielerlei Material in Ordnern. Sie denkt an ihre Mutter, die in einem anderen Gesellschaftsmuster lebte, wo Haus, Familie und Frausein das Wichtigste waren. Die Einsamkeit und Unsicherheit, die im Wechsel zu Auftritt, Aussehen und Ansehen sich ungewollt bemerkbar gemacht hatten, bedeuteten Teil des Lebensweges und sind jetzt nicht mehr wichtig. Einstige Begegnungen mit anderen Menschen, Freundinnen und Freunden sind Teile im Romanmosaik. Und immer wieder kommen treffende Beschreibungen der realen Gegenwart, vom Blick in den Garten, als Gerüst des Romans. – Form und verwobener Inhalt des autobiografischen Werkes bilden ein Wunderwerk der Schreibkunst über Erinnerungen, Träume und Gedanken einer Frau im Rentenalter.

Kathrin Burger, geboren 1949 in Menziken, studierte Germanistik und promovierte über den Schriftsteller Georg Trakl. Sie unterrichtete an Gymnasien in Fribourg, Baden und Aarau. Sie fuhr bis zum allerletzten Tag gerne ins Gymnasium, um junge Menschen mit ihrer Liebe für die deutsche Sprache und Literatur anzustecken. Sie engagierte sich in kulturellen Institutionen sowie in der Frauenbewegung. Sie lebt mit ihrem Mann in Küttigen und hat drei erwachsene Kinder.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 5. Oktober 2023



Emil Zopfi,
Victos letzte Fahrt. Alpinist und Luftschiffer aus Leidenschaft. Ein Leben
AS Verlag
220 Seiten Fr. 29.80 bitte mit Mail bestellen


Ein Alpinist und Luftschiffer aus Leidenschaft
«Victors letzte Fahrt»


Der Schriftsteller Emil Zopfi erzählt, wie er vor wenigen Jahren mit seiner Frau durch den Bergsteigerfriedhof in Zermatt geschritten war. Namen auf Steinplatten und Tafeln erzählen Geschichten von Unglück und Tod in der Bergwelt rund um das Tal. Zwei unbehauene Felsbrocken sind sich nahe. Sie neigen sich einander zu. Die Daten der 26-jährigen Irmgard Schiess auf dem einen Stein und die von Victor de Beauclair, 55-jährig auf dem andern, zeigen an, dass beide als Zweierseilschaft am 15. August 1929 am Matterhorn zu Tode gestürzt waren. Zopfi, selber ein begeisterter Bergsportler, stand in Gedanken versunken vor den beiden Gräbern. Die Ballade von den beiden Königskindern ging ihm durch den Kopf. Zwei Menschen, die sich liebten und zueinander nicht kommen konnten. Der Schriftsteller war so sehr berührt, dass er mehr über die beiden Menschen erfahren wollte und so kam er zum Stoff seines neuen Buches. Er erkundete in aufwändiger Recherchearbeit vor allem das Leben von Victor de Beauclair, der von 1874-1929 gelebt hatte. Dieser wurde nach einem abgebrochenen Medizinstudium zum Pionier als Skifahrer, Bergsteiger und Ballonpilot. Er war ein Verfechter des «führerlosen» Bergsteigens. Selbstvertrauen und Stolz bewogen damals und bewegen heute junge Menschen zu waghalsig sportlichen Unternehmungen.
Da Victor de Beauclair unverheiratet, eigenständig und allein lebte, stand er selten an vorderster Front, auch wenn er Pionierleistungen erbrachte wie die Gründung des Skiclubs Zürich 1901 oder die Bauführung der Mischabelhütte ob Saas Fee 1903. Die erste Überquerung des Alpenkamms im Luftballon 1908 wurde in der Presse kaum erwähnt, denn das öffentliche Interesse galt bereits dem Zeppelin. Zopfis Schilderungen von Flugvorbereitung, Freude und Angst im Weidenkorb hoch über dem Boden und Glück bei der Landung sind packend. – Nur wenige hatten Beauclair richtig gekannt. So entstand der Roman dank Zopfis eigenen Erinnerungen, Vorstellungen, Quellmaterial und Netzwerken in der Welt des Schweizer Alpinismus. Seine Erfahrungen auf denselben Ski- und Klettertouren steuerten wohl die Einfühlung in den einsamen Abenteurer Victor. Die Nachforschungen führten zu Nachkommen der jungen Bergkameradin Irmgard Schiess. Die zarte, angedeutete Liebesgeschichte, die in die damalige Männerherrschaft im Bergsport hineingewoben ist, deutet auf das oft Unausgesprochene hin, was die Abenteuergeschichte vervollständigt. Historische Fakten über die Anfänge der Fliegerei und des Alpinismus sind mit menschlichen Regungen angereichert. Die dichterische Freiheit des Historikers Emil Zopfi kommt hier wie in anderen seiner Bücher voll zur Geltung.

Emil Zopfi, geboren 1943, studierte Elektrotechnik und arbeitete als Informatiker. Seit 1977 schreibt er Romane, Berg- und Sachbücher, Kinderbücher, Hörspiele, Reportagen und Kolumnen. Er ist Glarner Bürger und lebt in Zürich. Sein Werk wurde mehrmals mit Preisen ausgezeichnet. Er schrieb unter anderem auch den historischen Roman «Der Untergang des Delphin, die Titanic vom Walensee».
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 24. Oktober 2023

 



Elisabeth Bardill


Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

Archiv
September 2016:
November 2016:
Dezember 2016:
Februar 2017:
März 2017:
April 2017:
Mai 2017 :
Februar 2018:
April 2018
Juni 2018:
August 2018:
September 2018:
Oktober 2018
November 2018
Dezember 2018
Februar 2019
April 2019
Mai 2019
August 2019
September 2019
November 2019
Dezember 2019
Februar 2020
März 2020
April 2020
Juni 2020
Juli 2020
August 2020
September 2020
Oktober 2020
November 2020
Dezember 2020
Januar 2021
Februar 2021
März 2021
April 2021
Mai 2021
Juli 2021
September 2021
Herbst 2021
Oktober 2021
Advent 2021
Dezember 2021
Februar 2022
März 2022
April 2022
Mai 2022
Juni 2022
August 2022
September 2022
Oktober 2022
November 2022
Rauhnächte 2022
Februar 2023
April 2023
Mai 2023
Juni 2023
August 2023
September 2023
Oktober 2023





OBEN
ZURÜCK ZUR STARTSEITE