Buchbesprechungen von Cornelia Böhler

Hin und wieder werden Sie hier eine Buchbesprechung lesen, die von der Autorin und Journalistin Cornelia Böhler, Maur, verfasst ist. Sie versucht uns Frauen nahezubringen, Autorinnen, Persönlichkeiten und Geschichten vorzustellen, die nicht nur Frauen etwas zu sagen haben.


Brasilien wird sich an der Frankfurter Buchmesse als das Gastland präsentieren. Cornelia Böhler entführt uns mit Ihrer Besprechung in die faszinierende Welt des weltbekannten Schriftstellers Jorge Amado


Jorge Amado, Die Werkstatt der Wunder

431 Seiten Fr. 35.50


Buchbesprechung von Cornelia Böhler



Das schwarze Herz Brasiliens


Die Werkstatt der Wunder von Jorge Amado
Deutsch von Karin von Schweder-Schreiner, ISBN 978-3-10-001544-0
S.Fischer Verlag


Wer eintauchen möchte in die Welt von Brasilien, kommt mit dem Romancier und Kolumnist Jorge Amado direkt nach São Salvador da Bahia de Todos os Santos (Heiliger Erlöser von der Bucht der Allerheiligen). Die drittgrösste Stadt Brasiliens ist immer noch voller Wunder und so ist Amados Buch ein Wegweiser. Er widmet es Zélia, Rose und den Zauberwesen. Es handelt vom spätberufenen Professor Pedro Archanjo, 1926 in Polizeiberichten aufgetaucht als „Mulatte, mittellos und aus Bahia gebürtig - spielt sich als Gelehrter und toller Hecht auf“. Die Universität ist der lebendige Stadtteil Pelourinho, den viele Reisende von seiner Kirche her kennen, die soviel Gold aufweist im Innern, dass der Altar kaum zu fotografieren ist, von der schrägen Ebene und den farbigen Häusern dort am Rand und ja, der Samba kommt aus allen Strassenritzen in dein Herz. Das Arsenal von Leuten, die dort leben, bezeichnet der Dichter als Universität, in der man lehren und lernen kann, nämlich Kräuter und Wurzeln kennenlernen, Rhythmen, Schritte und Blut mischen, Klang schaffen und speziell lieb ist ihm ein Votivtafelmaler, der immer wieder für seine Kunden, gewöhnliche Leute aus dem Volk, ein Wunder malen soll, das sie erlebt haben, sich mit diesem Bild bei den Heiligen bedanken wollen. Hier kommen alle zusammen, die sich treffen wollen oder auch meiden, hier streiten und lieben sie, es wird in der gleichen Werkstatt Cordel-Literatur gedruckt, Texte der Volksliteratur, mit Holzschnitten als Titelbild, an Märkten mit Wäscheklammern an Kordeln feilgeboten. Nebenan gibt es die Capoeira-Schule von Meister Budião, und alle Techniken weiss Amado zu erklären, die Persönlichkeiten im Detail zu schildern und wir meinen die Gerüche von Schweiss zu riechen, den trockenen Saitenklang des Berimbau. Und wir federn im Schritt der Sambaschule, die nach Amado benannt wurde, wir haben in lauen Nächten tausend Sachen vor, doch vorher wird noch etwas gegessen, die berühmte Moqueca de siri, heisse, kleine Krabben in Palmöl gebraten in der Eisenpfanne, jeder Salvador-Tourist hat sie schon probiert. Wir halten eine ganze Woche durch in diesem Rhythmus, besser gesagt 430 Seiten im Buch, dann wird es endlich Freitag, alle kleiden sich schneeweiss und es wird in die Kirche gegangen, zum Candomblé, angeleitet von der Mãe-de-santo, der Kultpriesterin und begleitet von Exu, dem Mittler zwischen Göttern und Menschen und alle Wünsche gehen in Erfüllung! Doch - so ist es, wie Amado beschreibt und keine Angst, er liefert uns ein Glossar, ausführlich und kompetent. Danke, Meister!


Cornelia Boehler, Maur



Jorge Amado
Jorge Amado, geb. am 10. 8. 1912, als Sohn eines Kakaoplantagenbesitzers in brasilianischen Bundesstaat Bahia geboren, wuchs in der Hafenstadt Ilhéus auf. Mit 12 schrieb er erste Kurzgeschichten, mit 15 arbeitete er für eine Zeitung, mit 18 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Er schrieb über 35 Bücher, wurde Kommunist, lebte im Exil in Buenos Aires, Prag und später viel in Paris. Heimgekehrt konnte er auf Bücher in 49 Sprachen und 55 Ländern zurückblicken, er wurde Mitglied der Akademie, Samba-Schulen wurden nach ihm benannt.
Am 6.8.2001starb er an einem Herzinfarkt, seine Asche wurde unter seinem Mangobaum verstreut.

Weitere Werke von Jorgo Amado finden Sie hier

 

Cornelia Boehler wurde 1943 in Zürich geboren
Aufgewachsen im kinderreichen Quartier Friesenberg. Mit vierzehn Tagebuch für die Jugendseite des Tages-Anzeigers Zürich, Handelsschule, Tätigkeit im Marketing. Redaktionsmitglied der Gemeindezeitung, Korrespondentin beim Anzeiger von Uster.


Juni 2013: Margarete Mitscherlich, Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht

Juli 2013:
Schattierungen von Grau - Hommage an eine Zürcher Persönlichkeit

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