Ein weiterer Buchtipp meines Mannes:


Helen Humphreys, Followed by the lark. A Novel. Bis jetzt nur Englisch erschienen
Farrar, Strauss and Giroux
240 Seiten Fr. 46.90 Bitte per Mail bestellen


Henry Thoreau, Walden oder das Leben in den Wäldern
Diogenes Taschenbuch
352 Seiten Fr. 17.00 Bitte per Mail bestellen

Henry Thoreau und der Walden-See

Wie sehr erinnert mich diese berührende Novelle von Helen Humphreys (Farrar, New York 2024) an meinen kleinen Moorsee im Sülibach in meiner frühen Jugend: Dort erlebte ich wie Henry Thoreau in der Mitte des 19. Jahrhunderts die noch völlig intakte Natur, ohne die Ablenkung durch die heutigen Ängste, geschürt durch Nachrichten über Kriege und Klimakatastrophen.
Der 1817 geborene Henry bezog 1845 in der Nähe seines Wohnortes Concord am Walden-See eine selbstgebaute Blockhütte. Nur sechs Wochen Lohnarbeit im Jahr als Landvermesser genügten damals, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die verbleibende Zeit verbrachte er mit lesen, schreiben und nachdenken in der Natur. Sein Buch Walden wurde zur «Aussteigerbibel». Als Kämpfer gegen die Sklaverei schrieb er 1849 den Essay Resistance to Civil Government, welcher später Mahatma Gandhi und Martin Luther King als Inspirationsquelle diente.
Schon 1835 mit Tuberkulose infiziert, starb er 44-jährig 1962 an dieser Krankheit. Bis zuletzt schrieb er Briefe und Tagebucheinträge, welche Frau Humphreys als Vorlage zu dieser feinen Novelle dienten. Ihre Beschreibung der Eindrücke, welche die genaue Beobachtung der Tier- und Pflanzenwelt um den Walden See in Henrys Texten hervorruft, gibt dem Leser das Gefühl, er sei selbst in dieser schönen Umgebung. Die vielen englischen Bezeichnungen dieser Fauna und Flora fordern den Leser zwar heraus, wohl auch einen Ornithologen.
Der feine Text zeigt nicht nur den Kontrast zwischen dem langsamen Sterben Henrys an seiner damals nicht heilbaren Tuberkulose und dem Fortbestand der Natur, welche heute zwar auch bei uns bedroht ist. Sondern es bleibt die Gewissheit zurück, dass man in der noch weitgehend intakten Schweizer Landschaft ebenso Trost und Heilung von unseren Sorgen und Ängsten finden könnte wie am Walden-See.

Zürich 17.4.2024

Helen Humphreys (*29. März 1961) ist eine kanadische Dichterin und Romanautorin. Sie wurde in Kingston-on-Thames, England, geboren und zog später mit ihrer Familie nach Kanada. Derzeit lebt sie in Kingston, Ontario, zusammen mit ihrem Hund, Fig. Humphreys’ erstes Buch, “Leaving Earth”, wurde 1998 als bemerkenswertes Buch in der New York Times geführt und erhielt den City of Toronto Book Award. Sie hat auch Gedichte veröffentlicht und wurde 2023 mit dem Matt Cohen Award des Writers’ Trust of Canada für ihre schriftstellerische Karriere ausgezeichnet


Archiv

Januar 2008: Philip Roth, Exit Ghost
Mai 2008: Jeffrey D. Sachs, Wohlstand für viele
Februar 2010: Mona Bodenmann, Mondmilchgubel

April 2010: Colin Beavan, Barfuss in Manhattan
März 2011: Philip Roth, Nemesis
August 2011: Urs Faes, Paarbildung
November 2011: Jeffrey Sachs, the price of civilization
Juli 2012: Adam Zamoyski, 1812
November 2012: Florian Illies, 1913. Der Sommer des Jahrhunderts
Juni 2013: Robert Skidelsky/Edard Skidelsky, Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens
August 2013: Jeffrey D. Sachs, To move the world
Dezember 2013:
Martina Frei/Honegger Regula, Zürich für Kinder. Die Stadt entdecken, erleben und enträtseln und William Manchester,The death of a President
Mai 2014: Die Geschichte der Schweiz hrsg. von Georg Kreis und Orlando Figes, Krimkrieg
Weihnachten 2014:
Nassim Nicolas Taleb, Antifragilität und André Holenstein, Mitten in Europa. Verflechtung und Abgrenzung in der Schweizer Geschichte
April 2015: Thomas Maissen, Schweizer Heldengeschichten und was dahinter steckt, Anton Gunzinger, Kraftwerk Schweiz und Werner Ryser, Walliser Totentanz
Mai 2015: Die Naturforschenden. Auf der Suche nach Wissen über die Schweiz und die Welt 1800-2015. Herausgegeben von Patrick Kupper und Bernhard C. Schär
Silvester 2015: Elisabeth Kolberg, das sechste Sterben und Diccon Bewes, Mit 80 Karten durch die Schweiz
Februar 2016:
Peter Frankopan, The Silk roads. A new history of the world
April 2016: John Hirst,
die kürzeste Geschichte Europas
Adventszeit 2016:
Leon de Winter, Geronimo
September 2017:
Yuval Noah Harari, Homo deus
Dezember 2017:
Cathy O'Neil, Angriff der Algorithmen
April 2017: Martin Puchner, The written world
Juni 2017: Geoffrey West, Scale. The Universal Laws of Life, Growth, and Death in Organisms, Cities, and Companies
August 2018: Lisa Halliday, Asymmetrie
Oktober 2018: Maryanne Wolf, Reader come home. The reading brain in a digital world
November 2018: Katharina Adler, Ida
Juni 2019: Hector Garcia/Francesc Miralles, Ikigai
August 2019:
Francis Fukuyama, Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet
September 2019: Ma Hian, Traum von China
Advent 2019: Jill Lepore, Diese Wahrheiten
Juli 2020:
Stanislas Dehaene, How we learn. The New Science of education and the brain
Juli Special: Charles Benoy, (Hrsg.)
COVID-19. Ein Virus nimmt Einfluss auf unsere Psyche. Einschätzungen und Massnahmen aus psychologischer Perspektive
November 2020:
Michael J. Sandel, Vom Ende des Gemeinwohls. Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreiss
Februar 2021: Nicholas Christakis, Apollo's Arrow. The Profound and enduring impact of Coronavirus on the Way we live Englische Ausgabe

Mai 2021:
Carel van Schaik/Kai Michel, Die Wahrheit über Eva. Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern
Juli 2021: Mark Lynas,
6 Grad mehr. Die verherrenden Folgen der Erderwärmung
September 2021:
Colum McCann, Apeirogon
Herbst 2021:
Adrian Daub, Was das Valley denken nennt. Über die Ideologie der Techbranche
April 2022: Lea Ypi, Frei
August 2022:
Julian LIndley-French/John R. Allen/Frederick Ben Hodges, Future War.
Louise Brown, Was bleibt, wenn wir sterben

Juni 2023: Eric Vuillard, Ein ehrenhafter Abgang
November 2023: Brigitte Giroud, schnell leben
Rauhnächte 2024: Ulrich Gerster, die Nelkenmeister



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