Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken.

Zwei Besprechungen für Sie:

Marco Balzano, Ich bleibe hier Diogenes Verlag
Durrer Sandra,/Urs Durrer, Safran, AT Verlag



Marco Balzano, Ich bleibe hier
Diogenes Verlag
288 Seiten Fr. 30.00 Info/bestellen


Historische Genauigkeit mit Emotion verbunden


Der italienische Autor Marco Balzano befasste sich intensiv mit der Geschichte um den Bau des Stausees am Reschenpass und schrieb den Roman: «Ich bleibe hier».

Die Geschichte handelt von der jungen Lehrerin Trina, die bleibt – vor, während und nach dem Krieg. Die von Hitler und Mussolini ausgehandelte «Grosse Option» zwang die Bevölkerung von Graun wie alle deutschsprachigen Südtiroler ins deutsche Reich auszuwandern oder in Italien als Bürger zweiter Klasse zu leben. Die Lehrerin heiratete einen unermüdlichen Kämpfer gegen das Stauseeprojekt, unterrichtete die Dorfkinder zeitweise im Verborgenen in deutscher Sprache (Katakombenschule). Doch zum Leidwesen ihrer Mutter lernte Trina auch Italienisch. Sie erlebte die politischen Wirren und gleichzeitig die Flutung ihres Dorfes Graun. Hinzu kamen dorf- und familieninterne Konflikte mit tragischen Folgen. Generationen wurden durch unterschiedliche Gesinnung und politische Ausrichtung gespalten. Die Familiengeschichte bewegt sich auf dem geschichtlichen Hintergrund der Grenzregion zum Unterengadin und öffnet das Zeitfenster in eine düstere Zeit, wo Leid, Widerstand, Flucht und bittere Ergebung ins Unabwendbare mündeten.
Der Stausee am Reschenpass war ein Energieprojekt, das keine Rücksicht auf Mensch und Natur nahm. Die Anspielungen des Autors auf historische Persönlichkeiten wie auf den Pfarrer, der während rund 50 Jahren als Seelsorger die Gemeinde Graun betreute, seien gewollt, liest man im Nachwort. Es sei ihm sehr wohl um die Fakten gegangen aber auch um die Möglichkeit, ganz allgemein über Verantwortungslosigkeit, über Grenzen und Machtmissbrauch wie auch über die Bedeutung des Wortes zu sprechen. Als er eines Tages den Kirchturm im Wasser sah, kam er darauf, eine private persönliche Geschichte in dieser Gegend anzusiedeln: «Für mich ist dieser Ort der Inbegriff dafür, wie brutal Geschichte sein kann.»
1950 versank das Dorf Graun im künstlichen See. Der Kirchturm aus dem 14. Jahrhundert von Alt-Graun ist Zeuge der Flutung. Heute steht er unter Denkmalschutz. Für Touristen ist die Information von der Zerstörung des Dorfes unter einem hölzernen Schutzdach beim Parkplatz nahe dem Kirchturm zusammengefasst. Für viele Schweizer Feriengäste ist eine Busrundfahrt von Scuol über Pfunds-Nauders-Reschensee-Mals-Glurns-Zernez ein reizvoller Tagesausflug. Beim Anblick des Kirchturms im Wasser fährt wohl bei Vielen beim Gedanken an die Flutung von Gehöften, welche die Heimat von Familien waren, ein leiser Schauer durch den Körper. So erging es Marco Balzano, als er an einem Sommertag 2014 auf dem Parkplatz am See stand. «Seither habe ich alles studiert, was darüber zu finden war, jeden Text, jedes Dokument. Ich habe mir von Ingenieuren, Historikern, Soziologen, Lehrern, Bibliothekaren helfen lassen. Vor allem nahm ich Kontakt mit den mittlerweile noch lebenden Augenzeugen auf.» – Aus dem Italienischen von Maja Pflug ins Deutsche übersetzt.

Marco Balzano, geb. 1978, lebt in Mailand

Empfohlen von Elisabeth Bardill 14. Oktober 2020



Sandra Durrer/Urs Durrer, Safran. Anbau, Geschichte, Handel, Rezepte.
AT Verlag
250 Seiten Fr. 49.90 Info/bestellen

Safran – das rote Gold ist mehr als ein Gewürz


Sandra und Urs Durrer haben in diesem Herbst im at Verlag ein Buch über Safran herausgegeben: Anbau, Geschichte, Handel und Rezepte. Schon beim Durchblättern des schönen Buches wird die Kostbarkeit des Safrankrokus durch Text und Bild erkennbar. Sein Preis war zeitweise an denjenigen von Gold gebunden. Wir erhalten einen umfassenden Einblick in die vielfältige Verwendung und Bedeutung von Safran. – Die Gründung einer Interessengemeinschaft des Bündner Biologen Beat Ruffner in Maienfeld mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Wädenswil und dem Naturpark Beverin soll hier erwähnt sein. Der Interessengemeinschaft haben sich rund dreissig Safranproduzenten angeschlossen. Sie treffen sich zum Erfahrungsaustausch und kaufen die Pflanzknollen gemeinsam ein. – Krokusse gibt es viele, doch nur einer zählt zur Kategorie Extraklasse: Der Safrankrokus mit seinen drei roten Narben im violetten Blütenkelch. Er blüht im Herbst, häufig um den Vollmond und nur zwischen ein bis drei Tagen. Die heutige Forschung kommt dem Geheimnis auf die Spur.
Für ein Gramm Safran benötigt man rund 600 Narben. Alles geschieht von Hand, vom Pflücken, über das Kappen der Fäden bis hin zum Trocknen und Abfüllen. Safrankrokus ist genügsam, eigensinnig und arbeitsintensiv. Jeder und Jede kann ihn im eigenen Garten anbauen. Gefragt sind Geduld und Fingerspitzengefühl. Die Pflanze erträgt im Sommer Temperaturen bis 40 Grad und im Winter bis minus 20 Grad. Safran mag keine Staunässe. 50 bis 100 Knollen pro Quadratmeter, je nach Grösse, können im Abstand von 30 bis 50 cm gepflanzt werden. So können bis zu 1,5 Gramm Fäden auf dem kleinen Stück geerntet werden. Das Trocknen, Lagern und Vermehren sind sensible Prozesse, die sich durch Erfahrung entwickeln. Safran wächst antizyklisch durch ruhen im Sommer, wachsen im Winter. Anhand einiger Porträts erfahren wir, wo und wie Safran angebaut wird.
Was kostbar ist, wird oft gefälscht. Mit dem Aufkommen des internationalen Gewürzhandels im Mittelalter wurde Safran zu einem äusserst beliebten Produkt. Wer beim Fälschen erwischt wurde, hatte bereits in der Antike mit unmenschlichen Strafen, gar dem Tod, zu rechnen. Betrüger wurden beispielsweise samt ihrer Ware verbrannt.
Im zweiten Teil des Buches finden sich ausgewählte Rezepte von Spitzenköchinnen und -köchen. Es sind Gerichte, bei denen Safran die besondere Note ausmacht. Wissenswertes, praktische Hinweise wie Eigenartiges und Legendäres wurden für das Buch beleuchtet und zum wertvollen Ganzen zusammengetragen als «Faszination Natur».

Elisabeth Bardill, 28. September 2020



Elisabeth Bardill


Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

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