Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken.

Eine Besprechung für Sie:
Cordula Seger, Chesa sur l'En


Cordula Seger, Chesa sur l'En. Biografie eines Hauses St. Moritz
AS Verlag
200 Seiten, 180 Abbildungen Fr. 58.00 Info/bestellen

Chesa sur l’En St. Moritz


Das neue Buch, ein edler Bildband, beinhaltet die Biografie eines Hauses. Die Villa Chesa sur l’En wurde 1882-1883 erbaut. Sie war Ferienhaus, Genossenschaftsherberge, Familienhotel und ist heute privater Wohnsitz.


Der Bauherr Jacques Ambrosius von Planta, 1826-1901, verkörperte in Herkunft und Auftritt das neue Selbstverständnis der Region. Der weltgewandte Unternehmer in Alexandrien kehrte mit seiner Familie als Tourist ins Tal seiner Vorfahren zurück. Mit dem Bau des Chalets, seinem Märchenschlösschen mit Turm, wurde er zum Wegbereiter einer neuen gesellschaftlichen Bewegung, dem individuell gelebten Tourismus der vermögenden Gesellschaftsschicht aus dem In- und Ausland. Familie Abegg, die heutigen Eigentümer und Bewohner des Chalets eröffneten der Autorin Cordula Seger mit Gesprächen und Einblicken einen Mikrokosmos. Briefe und Tagebücher, erzählte Erinnerungen und Fotografien, Bilder und Möbel machen Vergangenes lebendig. Viele Fäden laufen hier zusammen, von der Tourismusgeschichte des Engadins und Graubündens, verbunden mit wirtschafts- und sozialhistorischen Gesichtspunkten bis hin zum architektonisch und künstlerischen Blickwinkel. Baumeister Nicolaus Hartmann senior entwarf und erbaute zusammen mit Alexander Kuoni, Architekt und Inhaber einer Chaletfabrik die Villa im Auftrag der hochangesehenen Familie von Planta. – Die Welt kam zu Gast. Künstler wie Giovanni Segantini und Giovanni Giacometti hinterliessen Spuren und trugen zum Gesamtkunstwerk bei.
Nicolaus Hartmann, 1838-1903 war im touristisch aufstrebenden Engadins am Ende des 19. Jahrhunderts der Mann der Stunde. Eine solide Ausbildung, die aus dem Handwerk herausgewachsen war, Kontakte zu den Eliten des Kantons, gestalterische Beweglichkeit, unternehmerisches Geschick und Verlässlichkeit zeichneten ihn aus und brachten ihm grosse Aufträge ein, die er weitgehend eigenständig verwirklichen konnte. Seine Bauten wie die seiner Nachkommen trugen dazu bei, St. Moritz in einen mondänen Kurort mit internationaler Ausstrahlung zu verwandeln. Die Aufbruchstimmung für neue Lebensformen ging Hand in Hand damit einher. Ferien im Luxushotel und der Zweitwohnungsbau kamen in Mode. – Die Recherchen der Autorin sind umfassend und beziehen auch Geschichten über Persönlichkeiten mit ein, was das Buch zur spannenden Lektüre macht. Man liest es stellenweise wie eine Familiensaga, ohne den roten Faden zur «Biografie eines Hauses» zu verlieren. Das Buch ist eine Publikation des Instituts für Kulturforschung Graubünden.
Zur Autorin

Cordula Seger, geb. 1970, wuchs in Chur auf, studierte und lebte in Zürich und Berlin, wo sie unter anderem ihre Dissertation über Grand Hotels als Schauplatz der Literatur abschloss. Berufliche und private Gründe führten sie zurück in die Schweiz. Kulturlandschaften durchstreifen, Räume erleben, lesen und schreiben, das macht Cordula Seger besonders gerne. Dabei gehen Beruf und freie Zeit oft ineinander über. Seit 2017 leitet sie das in Chur beheimatete unabhängige Institut für Kulturforschung Graubünden. Dieses ermöglicht Grundlagenforschung vor Ort und für den Ort. Graubünden ist ein Kanton mit reicher Geschichte und verfügt über bedeutende Quellenschätze. Es passiert hier viel auf engem Raum und oft anders, als von aussen vielleicht gedacht.
Wichtig erscheint der Wissenschaftlerin die Vernetzung über die Region und die Schweiz hinaus. Graubünden empfindet sie nicht als Grenzkanton, sondern als Zentrum des Alpenbogens. Immer schon hat der Kulturaustausch in den Bergtälern eine wichtige Rolle gespielt, man denke an die Mehrsprachigkeit, die Musik oder die Migration. Die am Institut für Kulturforschung laufenden Projekte bringen diese Vielfalt zum Ausdruck. Die Themen reichen von Linguistik, Tourismusgeschichte, Architektur bis zur Ethnologie. Cordula Seger sagt: «Graubündens Geschichte ist vielstimmig und mehrsprachig und deshalb auch so spannend. Die Bündner Bevölkerung ist zudem sehr interessiert, und so ist es möglich, nahe mit und bei den Leuten zu forschen.»

Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 14. Februar 2021


Elisabeth Bardill



Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

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