Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken.

Zwei Besprechungen für Sie:
Margret Greiner, Sophie Taeuber-Arp
Jolanda Spirig, hinter dem Ladentisch


Margret Greiner, Sophie Taeuber-Arp. Der Umriss der Stille
Zytglogge Verlag
286 Seiten Fr. 32.00 Info/bestellen

Sophie Taeuber-Arp

«Der Umriss der Stille» ist eine Romanbiografie von Margret Greiner. Die Autorin schrieb auf der Grundlage intensiver Recherchen, bisher unveröffentlichter Briefe, über die Entwicklung Sophie Taeuber-Arps zur grossen Künstlerin. Sie lebte von 1889-1943. Im Appenzellerland mit drei Geschwistern aufgewachsen, verlor sie, als sie einjährig war, ihren Vater durch Krankheit. «Was für ein schönes Mädchen», flüsterte Emil Taeuber, als er seine kleine Sophie durchs geschlossene Fenster sehen durfte. Die alleinerziehende Mutter erzog ihre beiden Töchter nicht als künftige Hausfrauen, die sich mit Kochen und Handarbeiten zufriedengaben. Aber Sophie war auf dem besten Weg eine Strickliesel zu werden. Es kam anders. Sie perfektionierte sich im Kunsthandwerk und wurde Lehrerin an der Kunstgewerbeschule Zürich. Als expressionistische Tänzerin trat sie im Cabaret Voltaire zu Texten von Hugo Ball auf. Sie baute als Innenarchitektin ein Vergnügungszentrum in Strassburg aus und wurde zur Pionierin der konstruktiven Kunst.
Unentwegt und unerschrocken bewegte sich Sophie Taeuber auf ihrem inneren und äusseren Weg als Künstlerin. Sie war überzeugt, dass der Drang nach Schönheit dem Menschen angeboren sei und hielt fest: «Die primitiven Völker schmücken ihre Gebrauchs- und Kultgegenstände. Den Wunsch, die Dinge zu bereichern und zu verschönern, kann man nicht materialistisch deuten. Er entspringt dem Trieb nach Vervollkommnung und schöpferischer Tat.» Ihre pädagogischen Bemühungen als Lehrerin waren zu jener Zeit ungewöhnlich. Sie tat den Schritt ins Ungelöste. Dazu gehörte über das Fach hinauszublicken, Fragen zu stellen, auch solche die sich nicht beantworten liessen.
Der Roman bietet mehr als die Lebensgeschichte von Sophie. Er führt in die Zeitgeschichte, da zwei Weltkriege ihre Wirkung auf alle gesellschaftlichen Schichten, ja in alle Lebensbereiche hatten. Er zeigt das Lebensfeld eines Künstlerpaares, die Zeit ihrer grossen Liebe mit Trennungen und Entbehrungen. Er zeigt den Anfang und Aufbruch in das experimentelle Kunstschaffen vor hundert Jahren. Bekannte Namen von Menschen tauchen auf, die dem Freundeskreis von Sophie und Hans Arp angehörten. Nach dem tragischen Tod der Künstlerin heftete Hans Arp seine Frau als engelgleiches Wesen an den Himmel. Die Autorin zeigt aber, dass Sophie Taeuber-Arp von dieser Welt war, lebenspraktisch und von grosser Klugheit.
empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna 2. September 2021

Margret Greiner
Studium der Germanistik und Geschichte an den Universitäten Freiburg (Breisgau) und München. Viele Jahre Unterrichtstätigkeit an deutschen Schulen, am Schmidt’s Girls College in Jerusalem und an der Renmin Universität in Beijing. Romanbiografien über Emilie Flöge, Charlotte Berend-Corinth, Charlotte Salomon und Margaret Stonborough-Wittgenstein. Margret Greiner lebt in München.



Jolanda Spirig, Hinter dem Ladentisch
Chronos Verlag

176 Seiten Fr. 29.00 Info/bestellen

Hinter dem Ladentisch

Ein Familienleben zwischen Kolonialwaren und geistlichen Herren ist als Sittenbild der fünfziger und sechziger Jahre im zwanzigsten Jahrhundert aufgezeichnet. Die Schnittstelle in der Erziehungslehre der katholischen Kirche und dem Aufbruch der Frauen, die eine Gleichstellung der Geschlechter einfordert wird am Beispiel der Familie Artho-Weibel dargestellt. Jolanda Spirig, Historikerin, beschreibt Kindheit und Jugendjahre von Martha Beéry-Artho, die 1941 in Bern zur Welt kommt. «Martheli» erlebt eine glückliche Kindheit mit zwei Schwestern bis zum Zeitpunkt, da ihr Vater unerwartet stirbt. Ihre Mutter kann die Familie dank ihrem Kolonialwarenladen durchbringen.
Die Autorin verwob die Zeitgeschichte mit der Beschreibung der alltäglichen Welt der Familie um sich dann vornehmlich der Entwicklung der ältesten Tochter Martha zuzuwenden, die sich von der tüchtigen Mutter vernachlässigt fühlte. Die Kundschaft schien stets an erster Stelle zu stehen. Die Kirche mit den vielen Regeln hatte massgeblichen Einfluss auf die Familie, da Vater Artho als Chauffeur, Gärtner und vieles mehr für die Nunziatur in Bern arbeitete. Die Villa mit Parkanlage, der reichgedeckte Tisch, die prächtigen Gewänder, die Martheli im Haus des Nunzius heimlich bemerkte und erahnte führten zu inneren Unsicherheiten. Später hinterfragte sie die unterschiedlichen Lebensformen: «Es ist und bleibt kompliziert. Nicht nur mit dem Beichten, auch mit den Todsünden und all dem, was zu tun und zu lassen ist, damit man nicht in die Hölle oder ins Fegefeuer gestossen wird. Dort schmoren all jene, vor denen das Mädchen gewarnt wird.» 1954 am Schweizerischen Katholikentag fiel das herrische Gebaren von Nunzius Gustavo Testa auch den Eltern Artho als fragwürdig auf. Mit den Ordensschwestern, die in der Villa die Hauswirtschaft besorgen, hatte Martheli keine Probleme.
Tochter Martha wuchs zur selbständig denkenden und handelnden Frau heran, durchlief die KV-Ausbildung, arbeitete und verliebte sich unter anderem auch in einen jungen Mann im Bergdorf Vrin, dem Familien-Feriendomizil. Doch dann heiratete sie einen Tierarzt. Sie war sich lange nicht sicher, ob ja oder nein zu Heirat und Familie. Eigentlich wollte sie keine Hausfrau werden und keine Kinder haben. – Heute lebt Martha mit Ihrem Mann, der als Flüchtling 1956 aus Ungarn in die Schweiz kam, in Düdingen. Sie haben drei erwachsene Kinder. Seit den 1970-er Jahren setzt sich Martha Beéry für Frauen und deren angemessene Darstellung in der Öffentlichkeit in den Freiburger Medien, Frauenprojekten… ein. Was ihre Mutter hinter dem Ladentisch und für die Familie geleistet hatte, erhielt zu deren Lebzeit die volle Wertschätzung seitens der Tochter.

empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna
10. September 2021



Elisabeth Bardill



Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

Archiv
September 2016:
November 2016:
Dezember 2016:
Februar 2017:
März 2017:
April 2017:
Mai 2017 :
Februar 2018:
April 2018
Juni 2018:
August 2018:
September 2018:
Oktober 2018
November 2018
Dezember 2018
Februar 2019
April 2019
Mai 2019
August 2019
September 2019
November 2019
Dezember 2019
Februar 2020
März 2020
April 2020
Juni 2020
Juli 2020
August 2020
September 2020
Oktober 2020
November 2020
Dezember 2020
Januar 2021
Februar 2021
März 2021
April 2021
Mai 2021
Juli 2021
September 2021




OBEN
ZURÜCK ZUR STARTSEITE