Die Journalistin Elisabeth Bardill-Meyer aus Tenna im Safiental hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Buchbesprechungen hier abzudrucken.

Vier Besprechungen für Sie:
Elena Costa, der Traum vom kühnen Leben
Diego Giovanoli, Alpschermen und Maiensässe in Graubünden
Patrick Rohner, Massenbewegungen
Moritz Heger, Aus der Mitte des Sees


Elena Costa, Der Traum vom kühnen Leben

Rotpunkt Verlag
272 Seiten Fr. 28.00
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Der Traum vom kühnen Leben

Ein feinfühliger Roman von Elena Costa. Wir begleiten den 18-jährigen Yves, der im Jahr 1987 für sein Studium nach Paris reist und dort ein ziemlich dunkles Zimmer im obersten Stock eines Hauses mietet. Aus Angst, sich zu verlieren, nimmt er stets dieselbe Metro und dieselben Strassen. Jeden Tag geht er mit seinen Büchern ins Café an der Ecke, wo er lernen, aber wo er vor allem ein bekannter Unbekannter bleiben kann. Dort trifft er eines Tages eine Frau mit ihrem dreizehnjährigen Sohn Jérôme. Fortan drehen sich seine Gedanken um diese unnahbare, widerspruchsvolle Frau. Eine Liebesgeschichte beginnt. Das Thema der Einsamkeit, des Verlassen- und des Erwachsenwerdens sowie das Porträt einer Frau, die nach Freiheit sucht, entstehen. Die Kraft der Musik hat eine tröstende, heilende Wirkung. Eine zerbrochene Ehe, eine Mutter, die ihre Rolle nicht findet, ein Sohn und ein junger Liebhaber müssen den Weg aus ihrer schicksalhaften Verstrickung finden. Fragmentarisch aufgezeichnet sind die Wege der beiden jungen Männer. – Nach dreissig Jahren erst kommt Klärung für Mutter und Sohn, die ihr Leben der Musik verschrieben haben. War es die Kühnheit seiner Mutter, ihren Sohn zu verlassen, was ihm verwehrte, seine Jugend zu leben? Die Musik war für Jérôme das einzige stabile Element: «Es war eine Art zu leben, die Gestalt annahm wenn die Wörter auf einmal überflüssig geworden waren, ein inneres Leben, indem sie mich begleitete, ohne dass ich mir dessen wirklich bewusst war.»
Elena Costa, geboren 1986 in Nancy, hat zypriotisch-griechische wie auch deutsche Wurzeln. Sie lebt heute in Paris. Dieser Entwicklungsroman führt in eine Weltstadt, wo es Wohnwagen, Bahngeleise und ein bestimmtes Schulhaus gibt. Der Roman wurde von Lis Künzli aus dem Französischen übersetzt.

Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna 10.10.2021




Diego Giovanoli, Alpschermen und Maiensässe in Graubünden
Bäuerliche Bauten, Betriebsstufen und Siedlungsstrukturen ausserhalb der Dörfer Graubündens von der frühen Neuzeit bis 1960
Haupt Verlag
536 Seiten Fr. 78.00 Info/bestellen

Alpschermen und Maiensässe in Graubünden


«Wer sich dem technischen Fortschritt verschreibt, der fühlt sich magisch angezogen von der Gegenmacht, den Zeugnissen des Anfangs, besonders, wenn diese Objekte sind.» Zitat von Adolf Max Vogt. – Im Sachbuch von Diego Giovanoli sind die Bauten in der bündnerischen Landschaft ausserhalb der ständig besiedelten Dörfer das Thema. Das Werk enthält Erkenntnisse zur Wahrnehmung der Kulturlandschaft und zeigt meist vergessene Zusammenhänge der Agrargeschichte der Landschaft, die für den künftigen Umgang mit dem alpinen Raum neue Perspektiven eröffnen können. Die massgebende Grundlage für das Werk bildet neben eigenen Flurbegehungen Giovanolis zwischen 1988 und 1999 die Auswertung verfügbarer Schriften, Plan- und Bildquellen. Urkunden wie Güterrodel und parzellentreue Güterkataster aus den Jahren vor 1900 sind eine Seltenheit. Die kurz nach 1800 einsetzenden Feldvermessung basierten zu Beginn auf privater Initiative, da die Gemeinden für Katasterpläne kaum Verwendung fanden. Als ergiebigste Quelle für die kulturlandschaftliche Forschung sind Militärkarten. Die Dufourkarte und der Siegfriedatlas wurden hier als Vergleichsinstrumente verwendet. Die Unterlagen der Bauernhausforschung wurden mittels Skizzen, Zeichnungen, Fotografien und Schriften aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts systematisch ausgewertet. Zum Beispiel gab es kaum Pläne für Alpstäfel und Maiensässe vor 1950. Auch die historischen Bewässerungsanlagen sind selten auf Plänen festgehalten worden.
Das Werk in Buchform ist aufgeteilt in Systeme wie kulturräumliche Aspekte, Hof- und Siedlungsformen, Bauten auf der Dorfstufe, Maiensäss- und Alpbauten. Im Teil Topografie werden alle Talschaften berücksichtigt. Der Beitrag von Jon Mathieu behandelt die Maiensässwirtschaft, vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Es handelt sich um die Weiden der Vorberge zwischen Talgrund und den eigentlichen Alpen. Eine Menge von Hütten auf Mittelweiden und Alpweiden geben bis heute da und dort das Ansehen von kleinen Dörfern wie zum Beispiel Medergen im Schanfigg oder Crevasalvas im Oberengadin.
Diego Giovanoli, geboren 1938 in Soglio, lebt heute in Malans. Er arbeitete mit und für die Bündner Denkmalpflege. Das Sachbuch entstand in Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen. Es beinhaltet einen Schatz an Kultur- und Agrargeschichte und hilft den Eigentümerinnen und Eigentümern eines Gebäudes, dessen Bedeutung zu erkennen. Den Wandernden öffnet es die Augen für die Vielfalt und Schönheit der Agrarbauten in den Berglandschaften. Dazu haben Text und Bild eine zusätzliche Wirkung auf Gefühle und Erinnerungen.

Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 4. Oktober 2021



Patrick Rohner, Massenbewegungen
Vexer Verlag St.Gallen
340 Seiten Fr. 42.00 bitte mit Mail bestellen


Von der Erde lernen

Der Schweizer Künstler Patrick Rohner wählte «Massenbewegungen» zum Titel seines Buches, das alle wichtigen Werkgruppen seines Schaffens der letzten zwanzig Jahre umfasst. Er widmet sich dem Phänomen der Katastrophen, wo sich eine Masse in Bewegung setzt als Bergsturz, Überflutung, Brand, Völkerwanderung aus katastrophalen Gründen… Er erforscht die Folgen des menschlichen Tuns und wie wir uns auf diesen genannten Gebieten bewegen. Er befasst sich mit der Erde und erweitert sein Wissen mit Kleinarbeit. Er sammelt fotografiert, zeichnet, dokumentiert, nummeriert, ordnet ein, schneidet Artikel aus Zeitungen und pflegt sein umfassendes Archiv. Er arbeitet und denkt in Kreisläufen, die er durch Beobachtungen und Experimente in und durch die Natur vertieft. Unter anderem befasste er sich mit äusserster Genauigkeit mit den Gesteinsmassen des Bergsturzes 2017 in Bondo. Patrick Rohner erforscht die Wirklichkeit der Erde. Er erforscht beispielsweise mit eigener Methode einen einzigen Stein an seinem Standort.
Auch das Leben, ja der einzelne Tag des Künstlers ist strukturiert, von persönlichen Arbeitsritualen durchwirkt. Er wähnt sich ständig überfordert mit allem was er tut oder machen möchte. Doch dieser Fleiss führt ihn zu immer neuen Erkenntnissen und Kreisläufen. «Dieses Übereinanderarbeiten und Transportieren ist zu einer für mich wesentlichen Tätigkeit geworden. Ich arbeite an einer Sichtweise, wie der Mensch sich zur Natur verhält, wie er sie beeinflusst und wie diese Veränderungen sich auswirken.» – Das Buch gibt Einblick in ein Lebenswerk, das in Bild und Text eine konstante Horizonterweiterung verdeutlicht. Vierzehn Textbeiträge stammen von Autorinnen und Autoren ausserhalb des Kunstbereiches wie zum Beispiel von David N. Bresch, Professor ETH für Wetter und Klimarisiken. Er ist einer der massgebenden «Gehülfen». Patrick Rohner lebt in Rüti GL.
Massenbewegungen, Vexer Verlag, A4 Format, Farbabbildungen auf 340 Seiten, Fr. 42.-

Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 27. Septembe 2021


Moritz Heger, Aus der Mitte des Sees
Diogenes Verlag
256 Seiten Fr. 30.00 Info/bestellen

Aus der Mitte des Sees

Eine Benediktinerabtei, an einem See gelegen, ist Sehnsuchtsort für Menschen, die sich eine Auszeit gönnen möchten. Der Gäste-Gebäudeflügel wird gut besucht und genutzt. Die Mönche sind fast alle im biblischen Alter. Lukas, Ende dreissig, stellt seinen Lebensweg in Frage, weil ein junger Mitbruder das Kloster verlassen und eine Familie gegründet hat. Die Vorgeschichten sowie die Gegenwart einzelner Menschen werden in feinfühliger Art und Weise erzählt. Der Autor Moritz Heger lässt die Personen in der Ichform sprechen und denken, sodass man sich ohne Mühe mit ihnen in Verbindung fühlt. Der See hat eine grosse Anziehung und Bedeutung für Lukas. Beim Schwimmen öffnen sich Körper und Seele und so überlässt er sich dem See um die Entscheidung zu finden, die sein weiteres Leben bestimmen wird. Die äusseren und inneren Auseinandersetzungen mit der Glaubensgemeinschaft, mit der Liebe zu Sarah und der Einsamkeit, mit dem Kloster als ein Zuhause werden mitempfunden. Alleinsein in der Badehütte am See, Schwimmen im weiten offenen Gewässer, als Klosterbruder, Mensch und Mann sind Themen, die den berührenden Roman durchziehen. Die Einzelheiten wirken. «Es ist ein Buch der Unruhe, das Herz und Geist zum Schwingen bringt.»
Moritz Heger, geboren 1971 in Stuttgart, studierte Germanistik, Evangelische Theologie und Theaterwissenschaft. Neben dem Schreiben arbeitet er als Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium.
Empfohlen von Elisabeth Bardill
Tenna, 18. Oktober 2021



Elisabeth Bardill



Elisabeth Bardill-Meyer kam 1941 im aargauischen Auenstein zur Welt und wuchs danach in Küsnacht am Zürichsee auf. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Neuen Mädchenschule Bern war sie in Bubendorf BL tätig. Nach der Heirat mit einem Bündner Lehrer zog sie nach Tenna ins Safiental und später nach Schiers. Sie hat vier Söhne und fünfzehn Enkel. Während vieler Jahre unterrichtete sie im Bildungszentrum Palottis Schiers in den Fächern Erziehungslehre, Werken und Gestalten. Seit 2004 lebt Elisabeth Bardill mit ihrem Mann wieder in Tenna. Sie arbeitet freischaffend journalistisch für Zeitschriften, Zeitungen wie auch regelmässig für die „Terra Grischuna“, schreibt Bücher und gibt diese selber unter „edition bardill“ heraus. Es handelt sich stets um Porträts von Menschen in Graubünden.



Elisabeth Bardill, Männer und Frauen verwurzelt in Graubünden

Edition Bardill
Fr. 30.00 bitte mit Mail bestellen



Elisabeth Bardill, Bauernstolz und Bauerntum
Edition Bardill, 2008 Fr. 35.00 bitte mit Mail bestellen

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